Meine Geburt in der Regentonne

 

Als ich 23 war wusste ich bereits einigermaßen wo ich in meinem Leben hin wollte. Ich war in meinem Bachelor Maschinenbau kurz vor der Abschlussarbeit, war seit einem Jahr mit meinem jetzigen Mann zusammen und wusste immer, dass ich Kinder wollte. Insgesamt sollten es 4 werden. Zwei während des Studiums, (damit ich den Jobeinstieg meistern kann, wenn das Jüngere ungefähr 2 Jahre alt ist) dann zwei Jahre arbeiten und dann noch einmal zwei Kinder hinterher. So die Planung.

 

Das hat auch ganz gut geklappt (naja ein bisschen länger hat gedauert, aber man muss ja Ziele haben), Leo kam als ich 24 war, bei Kili war ich 26, Masterstudium in der Luft- und Raumfahrt fertig gemacht und nach einer Verschnaufpause über ein Praktikum eine Festanstellung bei einem Dienstleister des großen Automobilkonzern in der Gegend. Kili war jetzt allerdings dann doch schon fast 4. So also jetzt noch zwei Jahre arbeiten und dann war ich auch schon im 2. Trimester schwanger. Mit unserem 3. Kind, das ich sehr herbeigewünscht habe und das auch gerne zu uns kommen wollte.

 

Die Schwangerschaft war mit 32 und einem Vollzeitjob in München nun doch gar nicht mehr sooo einfach und ich hab recht viel gejammert. Aber es war eigentlich alles gut bis auf die üblichen Wehwechen, die man anscheinend in Schwangerschaften so hat (außer ich in den ersten beiden SSW, weil jung und unerfahren )

 

Wir haben uns also darauf vorbereitet wieder einen kleinen Menschen bei uns zu empfangen. Wie aufregend und doch irgendwie nochmal ein bisschen neu, wenn die anderen beiden schon 6 und 8 Jahre alt sind. Die Frage wo ich unser Kindlein zu Welt bringen werde stand außer Frage: Ich habe meine Söhne in wunderschönen Hausgeburten entbunden und mit meinem dritten Kind würde ich es nicht anders machen. Nur die Frage wie ich es zur Welt bringe, war noch nicht ganz geklärt. Bereits bei Leo hatte ich in „Luxus Privatgeburt“ von einer Geburt in einer Regentonne gelesen. Das wollte ich da schon versuchen und eigentlich bei Kili auch schon, aber irgendwie wurde es nicht. Aber JETZT sollte es soweit sein. Mein Mann, mit mir einiges gewohnt, hat das auch abgenickt und sich bereit erklärt mir für alle planerischen Prozesse beizustehen. Er hat eine 300L Regentonne gekauft, einen Schlauch um ihn an der Badewanne zu befestigen und sie einlaufen zu lassen und sie danach wieder zu entleeren und die Bodenkonstruktion entwickelt, dass wir die Maximallast von 250kg/m^2 nicht überschreiten. So ALL Set. Testlauf war großartig und mir war klar: Hier bringe ich unser Kind zur Welt!

 


 

Und hier beginnt der eigentliche Geburtsbericht

 

Tag vor der Geburt: Ich war genervt! Ich war nämlich schon 1 Tag über den ET und das nicht gewohnt, weil die Jungs alle überpünktlich waren. Also habe ich mich abgelenkt und alte Kinderklamotte aussortiert, die ich eh nicht mehr anziehen werde. Irgendwann dachte ich mir, dass der Bauch doch recht häufig hart wird heute Abend. „Hmmm ists vielleicht ja doch bald soweit?“ So wirklich hoffen hab ich mich nicht getraut, außerdem waren die Abstände noch viel zu lange und Geburtswehen waren das sicherlich noch nicht. Ich wusste noch, dass die definitiv mehr wehtaten. Auf stundenlanges Wehenstoppen und Minuten zählen hatte ich an dem Tag sowieso keine Lust. Also bin ich stur ins Bett gegangen mit dem Gedanken, dass ich die Geburt sicherlich nicht verschlafen werde und ich schon wach werde, wenn es richtig losgeht.

 

Um halb 10 morgens bin ich aufgewacht und etwas verpeilt in der Gegend rumgestanden, was denn das nun war in der vorherigen Nacht. Mein Gefühl war komisch und irgendwie war es schon auf Geburt gepolt. „Na mal sehen ob ich meine Wehen nochmal zum laufen bekomme“ dachte ich und lies die Badewanne volllaufen. Bingo! Die Wehen haben angefangen, recht zart, aber regelmäßig alle 2 Minuten. Ich bin noch ein Weilchen sitzen geblieben bis ich mir sicher war, dass die nicht mehr aufhören. Um mein neues Kindlein auch ordentlich begrüßen zu können habe ich mich noch geduscht (wer weiß wann ich im Wochenbett dazukommen ) und meine Haare gewaschen. Jetzt war es kurz vor 11: „Jan, ich glaube heute ist es soweit! Deine To-Do Liste steht in meinem Notizbuch mit Priorisierung und räum bitte die Wohnung noch auf, ich ruf jetzt mal Marlene an.“

 

Marlene, ich glaab es geht los, aba de Wehen san no nix gscheits, aber damits moi Bescheid woast.“

 

Ja basst, i kimm Middog vorbei, wenn i hoam fahr“

 

Wunderbar, Danke“

 

Mittlerweile hab ich mir meinen Pezzi-Ball geholt, mein bester Freund zum Wehen veratmen. Weil jetzt musste ich sie so langsam ordentlich veratmen! Jan war immer in meiner Nähe und wir haben uns zwischendrin unterhalten und geplant, was er denn nun zum Mittagessen koche, weil essen müssen wir ja sowieso und die Großen kommen von Schule und Kindergarten auch bald heim. Oma und Opa wurden benachrichtigt und der Opa hat angefangen Hühnersuppe für mich zu kochen (auch das ist bereits Tradition bei meinen Geburten). Sie kämen dann am frühen Nachmittag irgendwann vorbei.

 

Ich war weiterhin dabei, meine Wehen zu veratmen. So langsam haben die auch echt angefangen weh zu tun. Jan hat meine Tonne mittlerweile auch schon im Bad aufgebaut. Es muss ungefähr viertel nach 12 gewesen sein als mit die Worte: „Jan, des duad scho ganz sche weh, vielleicht ruafst d‘ Marlene moi o, dass demnächst kimmd“ über die Lippen kamen. Gesagt, getan, Marlene kam kurz danach, Herztöne waren wunderbar, einen Einlauf hab ich auch noch dazu genommen und dann Muttermund: 4cm. Ohje, das kann ja noch eine Weile dauern… Zu dem Zeitpunkt war es 12.50 Uhr. Leo war von der Schule schon zu Hause und Kili kam kurz danach vom Kindergarten. Ich bereitete mich also darauf vor, dass ich noch eine Weile aushalten musste bis unser Kindlein zur Welt kam. Auf dem Ball fand ich es aber nicht mehr wirklich angenehm und wollte endlich in meine Tonne. Jan hat sie mir aufgefüllt und ich bin endlich eingestiegen. Das war gut, ich konnte mich gut reindrehen und vorne und hinten abstützen. Aber die Wehen hämmerten unwahrscheinlich stark. Nun kam auch Eva ins Bad und setzte sich zu mir. So heftige Wehen waren mir zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Zwischendrin war mir schlecht und ich habe das erste Mal verstanden, warum Frauen eine PDA haben wollen während der Geburt. Gott gings mir mies. Irgendwann meinte ich „ Sog moi, bei 8 cm Muttermund hod ma doch koan Bock mehr, oder?“ Eva: „Warum? Mogst nimma?“ – „Naaa, scho seit na Stund nimma!“ Die Wehen waren so extrem und ich wusste nicht wie lange ich das noch aushalte. Doch dann kamen die Presswehen! Mein Körper schob von ganz alleine, auch das hatte ich anders in Erinnerung. Zuerst sprang die Blase. Ich schob mit so gut ich konnte, aber ich hätte mir ein wenig mehr Platz gewünscht um meine Beine breiter zu machen. Nun, jetzt war es zu spät, da mussten wir beide jetzt durch. Ich weiß nicht wie viele Presswehen es waren bis der Kopf da war, vielleicht 5, aber die taten weh. Und zwar gewaltig. Dann war da Köpfchen draußen und ich wusste das schlimmste war geschafft. Sofort hab ich nach unten gefühlt. Da waren Haare und recht lange. Mein Herz ging über. Die letzte Wehe und dann hatte ich mein Kindlein in den Armen. Dass es eine Tochter war wusste ich erst als wir abgenabelt haben. Ich war unwahrscheinlich erleichtert, dass es vorbei war und überglücklich, dass sie bei mir auf der Brust lag. Jan war da bei mir. Wie nach einem großen Sportereignis überschlugen sich meine Gefühle: Erleichterung, Glück, Freude und das wunderbare Gefühl im Körper nach einem Extremsport. Durchaus unbeschreiblich.

 

Zeitpunkt der Geburt war 14.04 Uhr. Mein Muttermund ging also innerhalb von einer Stunde die restlichen 6cm auf. Kein Wunder, dass die Wehen so krass waren!

 

Momentan weiß ich nicht ob es das vierte Kind wirklich noch geben wird, oder ob mir diese Schwangerschaft, bzw diese Geburt vielleicht einfach gereicht haben. Falls es aber wirklich noch ein 4. Kind geben wird, brauche ich auf jeden Fall eine Tonne, die unten breiter ist.

 

Danke liebe Marlene und liebe Eva, dass ihr mit mir den Weg gegangen seid. Auch für euch war es das erste Mal in einer Regentonne und auch wenn es Bedenken gab, habt ihr mich meinen Weg gehen lassen. Danke!