Geburtsbericht Hanna – Dieses Mal wird alles anders!

 


 

Die Tage davor

 

Schon seit Tagen hatte ich abends immer wieder das Gefühl, dass es nun losgehen könnte, schließlich war der errechnete Entbindungstermin bereits verstrichen. Aber mehr als ein paar leichte Wehen wollten sich nicht einstellen, bin beim In-mich-hineinhorchen regelmäßig eingeschlafen und die Nächte verliefen ruhig. Hätte mich auch weiter nicht gestört, aber der Tag rückte näher, an dem Marlene mit ihrer Familie in den Kurzurlaub starten würde. Und ich wollte sie doch so gerne bei der Geburt dabeihaben, schließlich hatte sie mich während der gesamten Schwangerschaft betreut – angefangen von der Übelkeitsphase in den ersten Monaten und den Vorsorgeuntersuchungen bis hin zur geburtsvorbereitenden Akupunktur. Dass ich wieder eine Hausgeburt versuchen wollte, daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel. Als ich von Marlene hörte, dass sie und Eva wieder Hausgeburten betreuen würden, war meine Freude groß.

 

Bei meiner ersten Tochter hatte ich die Hausgeburt damals abgebrochen, da es über Stunden keinen wirklichen Fortschritt gab und ich nach über einem Tag Wehen einfach nicht mehr konnte. Aber dieses Mal sollte es ganz anders werden!

 

Am Abend vor der Geburt hatte ich wieder leichte Wehen, aber ich glaubte nicht wirklich ernsthaft, dass es an diesem Abend losgehen würde. Ich also gegen 22 Uhr ins Bett. Kurz aufgewacht gegen Mitternacht – nichts. So um 2 Uhr rum 1-2 stärkere Wehen, wieder eingeschlafen. Um 3.15 Uhr wieder aufgewacht, wieder Wehen. War gespannt wie viele es dieses Mal sein würden, glaubte noch immer nicht an den Geburtsbeginn.

 

Es beginnt tatsächlich

 

Doch die Wehen blieben und kamen im 5-7 Minuten Abstand, dauerten allerdings jeweils nur ca. 30 Sekunden. Im ersten Moment war ich hin- und hergerissen: Einerseits „Juhu, es geht endlich los und Marlene wird doch bei der Geburt dabei sein“ und andererseits „Oh nein, ich hab grad gar keine Lust auf eine Geburt, ich will einfach nur schlafen“. Den zweiten Gedanken hab ich aber ganz schnell wieder verdrängt. Mit den ersten richtigen Wehen war auch die Erinnerung an die Wehen der ersten Geburt wieder lebendig. Man vergisst ja wie sich das anfühlt, aber man erinnert sich auch ganz schnell wieder. Bis 4.30 Uhr blieb ich still und ruhig im Bett liegen, weckte dann meinen Mann um ihn zu informieren, dass heute DER Tag sei und ging dann frühstücken, weil ich nicht sicher war, ob ich später noch was runterbekommen würde. Hab mich daraufhin nochmal ins Bett gelegt, bin aber bald wieder aufgestanden und runter ins Wohnzimmer – diesmal mit Mann. Die Wehen hab ich abwechselnd auf der Couch sitzend, über der Couchlehne hängend und stehend veratmet, meistens die Hände meines Mannes quetschend. Er war überrascht wieviel Kraft ich doch während einer Wehe in den Händen hatte. Um 6.30 Uhr hab ich Marlene angerufen. Nachdem wir den Wehenabstand und die –dauer geklärt hatten, versprach sie gegen 8.00 Uhr zu kommen. Kaum waren wir mit telefonieren fertig hörte ich oben meine Tochter nach mir schreien. Ich also hoch zu ihr. Ich wollte nicht, dass sie irgendwie Angst bekommt und sich deshalb womöglich weigert in den Kindergarten zu gehen. Daher sollte der morgendliche Ablauf so normal wie möglich sein. Ich bemühte mich meine Wehen zwischendurch still zu veratmen und sagte meiner Tochter, dass mir der Bauch wehtun würde, weil das Baby langsam raus wolle. Sie hat sich sehr lieb um mich gekümmert und mir den Bauch gestreichelt. „Ist es wieder besser, Mama?“ meinte sie dann. Sie ging dann ohne Murren in den Kindergarten, eine Mitfahrgelegenheit hatte sich schnell gefunden. Zu der Zeit war der Abstand der Wehen deutlich geschrumpft, gefühlt alle 2-3 Minuten, wahrscheinlich war mehr Zeit dazwischen. Für die Uhr hatte ich allerdings keinen Blick mehr.

 

Marlene kam wie versprochen um 8.00 Uhr. Ich begrüßte sie gleich mal mit einem lang getönten AAAAAAA. Der Muttermund war 3-4 cm auf. Im ersten Moment freute ich mich darüber, dann begann ich hochzurechnen. 5 Stunden gleich 3-4 cm, oh Gott, das dauert ja noch ewig! Dass die Rechnung so nicht funktioniert hab ich ein paar Stunden später lernen dürfen… Marlene fragte, ob wir noch eine Zeit lang alleine klarkommen würden. Ja, das würden wir. Also fuhr sie gegen 8.30 Uhr in ihre Praxis und wollte um 11.00 Uhr wiederkommen. Ich könne mich jederzeit bei ihr melden, dann würde sie sofort kommen. Zwischenzeitlich sollte ich gut essen und trinken und evtl. noch in die Badewanne gehen. Essen ging zu dem Zeitpunkt nicht wirklich, trinken schon und in die Badewanne bin ich auch, mein Mann in meinem Rücken. Lange hielt ich es da allerdings nicht aus. Ich bade ansonsten furchtbar gerne, aber während der Geburt kann ich das nicht gebrauchen. Das war bei der ersten Geburt auch schon so. Mein Kreislauf macht da nicht so richtig mit und ich fühle mich irgendwie ausgeliefert. Gegen 10.00 Uhr hab ich dann Marlene angerufen und gefragt ob sie doch schon früher kommen könne. Die Wehen waren so schnell hintereinander und so heftig, aber weiterhin nicht viel länger als 30 Sekunden. Keine halbe Stunde später war Marlene da und ich erleichtert. Der Befund: 8 cm! Wahnsinn, damit hatte ich nicht gerechnet. Innerhalb von 2 Stunden gute 4 cm, die Schmerzen hatten sich wirklich gelohnt.

 

Bald geschafft

 

Marlene hat daraufhin Eva Bescheid gegeben, dass sie sich langsam auf den Weg machen dürfe. In der Zwischenzeit erledigten wir die letzten Vorbereitungen, na ja, Marlene und mein Mann machten das. Ich war mit den Wehen voll ausgelastet. Nachdem feststand, dass ich für die Geburt im Wohnzimmer bleiben wollte, deckten die beiden noch den Boden mit Malervlies ab. Die Couch hatten wir morgens bereits präpariert, ebenfalls mit Malervlies und Decken. Zu der Zeit fühlte ich mich während den Wehen am wohlsten wenn ich stand, am Hals von Marlene oder meinem Mann hängend, die Hände in Schulter und Oberarm gekrallt. Ich sollte dann nochmal aufs Klo, mein Mann begleitete mich. Die Wehen kamen so schnell hintereinander, dass ich gar keine Lücke mehr fand, in der ich wieder ins Wohnzimmer zurückgehen konnte. Also blieb ich erstmal am Waschbecken stehen. Als Eva dann kurze Zeit später kam, meinte sie dass ich jetzt gar nicht mehr auf eine Pause warten bräuchte, die würde eher nicht mehr kommen. Sie nahm mich kurzerhand ins Wohnzimmer mit. Das war gegen 11.00 Uhr. Die Wehen hab ich weiterhin im Stehen am Hals hängend veratmet und getönt, diesmal durfte Eva herhalten. Ein paar Mal probierte ich es noch mich zwischen den Wehen auf dem Pezziball sitzend auszuruhen, aber kaum saß ich ging es schon wieder los. Also blieb ich gleich stehen. Ich hätte nie gedacht, dass das zum Schluss hin meine bevorzugte Position sein würde. Bei den Geburtsvorbereitungskursen und auch bei der ersten Geburt war Stehen und mich an jemanden dranhängen die Position, die ich mir am wenigsten vorstellen konnte. Jetzt konnte ich so am besten mit den Wehen umgehen. Irgendwann fragte Eva oder Marlene ob ich meine Hose ausziehen wolle – wollte ich. Eva hat mich nach einer Wehe immer daran erinnert gleichmäßig und tief zum Baby hinzuatmen und einen Schluck Cola oder Wasser zu trinken. Es gab also durchaus Pausen zwischen den Wehen, aber meinem Gefühl nach können die nicht sehr viel länger als eine halbe Minute gewesen sein.

 

Endspurt

 

Während ich an Eva hing untersuchte mich Marlene. Daraufhin sollte ich mich auf die Couch legen. Den Sinn konnte ich in dem Moment nicht hinterfragen, erst am Tag darauf fragte ich Eva danach. Es ging um den Positionswechsel. Die beiden hatten den Eindruck, dass ich schon mitpressen wollte, aber das Köpfchen war noch zu weit oben. Ab jetzt also auf der Couch, zuerst halb liegend, halb sitzend an meinen Mann gelehnt, Eva rechts von mir, Marlene vorne. Vor lauter Anstrengung war es mir viel zu warm, also auch noch das Oberteil aus. Die pinken Wollsocken blieben, sind schließlich gut für die Wehen. Absurderweise bekam ich dann Hunger, Eva ließ mich von einer Banane abbeißen und mit Wasser nachspülen. Während den Wehen – inzwischen waren es Presswehen - hab ich beidhändig Hände gequetscht, ich denke es waren die von meinem Mann. Marlene und Eva haben mich angefeuert. Ich fragte mich kurz ob man mich draußen wohl hören würde, aber der Gedanke war gleich wieder unwichtig. Die Fruchtblase platze als Marlene nachschaute wie weit das Köpfchen denn schon war. Schwapp! Nach ein paar Minuten sollte ich mich auf die linke Seite drehen. Die Anfeuerung durch Marlene und Eva nahm zu, es war anscheinend genau der richtige Positionswechsel gewesen. Ein paar Wehen mehr und das Köpfchen war da! Ich hab das erst so richtig realisiert als Eva meinte, dass ich es anfassen könne. Was für ein Gefühl! Ich sah den Hinterkopf, dunkel und glitschig und streichelte darüber. Kurz fragte ich mich warum sich der Kopf sich so geriffelt anfühlte, aber da niemand nervös wurde wusste ich, dass alles in Ordnung war. Am nächsten Tag fragte ich danach und Eva meinte, dass das nur die Haut war, die zusammengeschoben war, wie bei einem Stück Stoff, das verknittert ist. Mit der nächsten Wehe war es dann endgültig geschafft und unser Baby auf der Welt. 11.37 Uhr. Nie hätte ich geglaubt, dass es dann doch so schnell gehen würde. Es wurde mir sofort auf den nackten Bauch gelegt und ein im Backofen vorgewärmtes Handtuch darübergelegt. Die erste Zeit hat es nicht mal geschrien. Ich war so erleichtert – dass es geschafft war, es dem Baby gut ging und mir auch. Nach ein paar Minuten wollte ich dann aber endlich wissen was es denn nun geworden war. Junge oder Mädchen? Mein Mann meinte ein Mädel erkannt zu haben. Als ich selbst nachschaute verwechselte ich erst mal die Nabelschnur. Aber mein Mann hatte Recht, es war ein Mädchen. Die Nabelschnur war innerhalb weniger Minuten auspulsiert und konnte vom Papa durchtrennt werden. Dann nahm Marlene das Baby, wog und maß es, während Eva die Plazenta auf die Welt holte. Mein Mann brachte dann wie besprochen eine Matratze ins Wohnzimmer und wir konnten es uns darauf gemütlich machen. Unterdessen räumten Marlene und Eva auf. Eine Stunde später kam unsere große Tochter vom Kindergarten heim. Die Überraschung war perfekt. Ich wollte sie gleich nach der Geburt bei uns haben und das hatte nun vom Timing her wunderbar funktioniert. Sie konnte sich gleich zu uns dazu kuscheln und ihre Schwester kennenlernen.

 

Eine Geburt – alltäglich und außergewöhnlich zugleich. Eine Geburt daheim – ein ganz besonderes Geschenk! Danke dafür!