Luxus Hausgeburt

[Fortsetzung von "Verrückt"?]

 

 Dann war es so weit. Mitten in der Nacht wachte ich von den ersten Wehen auf. Ich schaute auf die Uhr und weckte meinen Mann. Das konnte doch nicht sein – es ging schon sofort mit einer Minute Dauer und fünf Minuten Pause zwischen den Wehen los. Wir warteten ob sich das änderte, tat es aber nicht. Ich badete, keine Veränderung. Wir erwarteten nichts weiter und Tom ging wieder ins Bett während ich auf der Couch weiter die Zeiten im Auge behielt. Um sechs Uhr morgens war dann klar – es geht los. Marlene beruhigte mich am Telefon und sagte ich solle ihr Bescheid geben wenn ich es nicht mehr aushielte. Als sie dann ankam unterhielten wir uns noch am Küchentisch mit unserem Hund zu den Füßen und tranken Holunderschorle. Bei der Untersuchung wurde dann klar, für 8 Zentimeter war ich noch sehr entspannt. Wir zogen um in die Badewanne, zwischenzeitlich musste mein Mann noch den zu den Nachbarshasen entfleuchten Hund zurückbeordern und sich auf meinen Geheiß dafür bei den Nachbarn entschuldigen. Währenddessen war ich schon in der Übergangsphase, fragte mich, wie ich das alles jemals schaffen sollte und sagte meinem ungeborenen Kind eindringlich, dass es mir zeigen müsse wie das alles jetzt gehen soll! Eigentümlicherweise ging es mir besser, als ich erfuhr, dass die Hasen wohlauf waren und ich bestellt bekam, dass ich in Ruhe mein Kind bekommen solle anstatt mir darüber Gedanken zu machen. Selbiges hatte Tom mir zuvor bereits fassungslos gesagt, wurde aber dennoch von mir genötigt sich zu vergewissern, dass alle Kleintiere der Umgebung wohlauf waren. Unser Hund war ja schon etwas durch den Wind gewesen ob des eigentümlichen Verhaltens von Frauchen. Kurz darauf traf Eva ein, mich hielt inzwischen nichts mehr auf Knien und Eva und Marlene beorderten meinen Mann kurzerhand mit in die Wanne damit ich mich umdrehen und anlehnen könnte.

 

Herrlich! Von diesem Moment an war alles möglich! Alles lief wie ich es wollte. Küsse: nein. Kalter Waschlappen auf die Stirn: Ja. Aber nur kurz tupfen wenn ich es sage. Cola: Ja. Wenn ich es sage. Wadenmassage bei Krämpfen: Ja. Da wo ich es ansage. Schreien: Ja. Fenster öffnen: Ja. Hört mich die Nachbarschaft: SCHEISSEGAL!!

 

Meine Kommunikation mit den um mich Knienden und Sitzenden bestand also aus knappen Befehlen: „Krampf.“ „Ja.“ „Höher.“ „Tiefer.“ „Nein.“ „Nicht jetzt.“ „Cola.“ „Tupfen.“ „Gleich.“ „Krampf.“

 

Jedem Befehl wurde sofort nachgekommen und bald mussten wir alle darüber schmunzeln – ich inbegriffen, wobei ich mehr innerlich schmunzelte und mich tatsächlich in diesem Moment selbst fragte, wie eine Geburt nur so herrlich sein kann, obwohl man sich körperlich bis zur totalen Erschöpfung verausgabt. Zwischen Befehlen und Schmunzeln kam unsere Tochter zur Welt. Sie hatte sich wegen schwächer werdenden Wehen noch etwas von Marlene helfen lassen – was ich nicht bemerkt, sondern im Nachhinein erzählt bekommen habe – um nicht einen neuen Rekord im Neugeborenen-Apnoe-Tauchen aufzustellen. Ich war fertig, bekam die Augen kaum auf. Julia schrie, scheinbar durch mich inspiriert, ebenfalls kraftvoll die Nachbarschaft zusammen und mir fiel nichts besseres ein als ihr zur Beruhigung etwas vorzusingen. Eigentlich kann ich nicht singen, aber meine Kleine war besänftigt und ist es heute noch wenn ich schief vor mich hin melodiere.

 

Nach all dem kam das Beste: Ab ins eigene Bett! Mit Papa und Kind kuscheln – ok, vorher Nähen trübte die Perfektion etwas, aber selbst dabei mussten wir lachen, ob der Frage, was wo hingehöre und ob ich die endgültige Entscheidung via Spiegelkonferenz absegnen wolle.

 

 Es war herrlich, selbstbestimmt, in unserem ganz eigenen Rhythmus, entspannt, geborgen und rundum perfekt. Schon einige Minuten nach der Geburt war für mich klar: Das können wir wieder machen!😉

 

An dieser Stelle will ich mich nochmal mit aller Inbrunst bei meinen Megapowerfrauen und Felsen in der Brandung Eva und Marlene bedanken, die bis heute immer für uns da sind, genau wie ihr gesamtes Team der Hebammenpraxis, bei meinem Mann, dafür, dass er mir vertraut hat und den Mut hatte mich auf diesem Weg zu begleiten und bei unseren Nachbarn, die dafür gesorgt haben, dass Julia sofort herzlich auf der Welt willkommen geheißen wurde. Ihr seid klasse!

 

Wenn ihr euch über die Probleme vor denen Hebammen in Deutschland stehen informieren oder etwas dagegen unternehmen wollt, könnt ihr das hier tun. Jedem Engagement gebührt mein tiefster Respekt und ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel meinen kleinen, persönlichen Teil beitragen konnte.